BodyLetter. Persian DanceScripts.
Parastou Forouhar / Ziya Azazi

Public Écriture “Written Room”
and Dance Performance “Dervish in Progress”

 June 2, 2008, 6pm

International Symposium
June 1-3, 2008

Eugen-Guttmann-Haus
Pariser Platz

Berlin

2nd June 2008, Pariser Platz Berlin, 6 pm
Vernissage PARASTOU FOROUHAR “PERSIAN DANCE SCRIPTS” / ZIYA AZAZI “DERVISH IN PROGRESS”

EXHIBITION / DANCE PERFORMANCE / THINKERS WORKSHOP

Place: Atrium of Eugen Gutmann Haus at Pariser Platz, Berlin

PERSIAN DANCE SCRIPTS & DERVISH IN PROGRESS
The commissioned 30 square meter floor installation by Parastou Forouhar transfroms the building of Eugen Gutmann and provides the space for the dance performance by Ziya Azazi who exhibits with his adoption of traditional Sufi choreographies a free interpretation of the traditional Derwish dance.

Words of Welcome / Shulamit Bruckstein Çoruh

“Mit der Künstlerin Parastou Forouhar und dem Tänzer Ziya Azazi verbindet mich Atelier-Arbeit, Freundschaft und eine überaus fruchtbare Geschichte voller Gespräche in Vorbereitung dieser heutigen Installation und Performance.

Auch die Installation der Arbeit „Persian DanceScripts“ spielt mit der Doppelbödigkeit der Schrift. Die Signalwirkung der islamischen Schriftformen – ob Farsi oder Arabisch – verbindet sich bei denen, die ihrer nicht kundig sind, für gewöhnlich mit etwas Fremden; die Öffentlichkeit assoziiert damit theologisch-politische Parolen religiös motivierter Gewalt, ausgrenzende Ideologien, Aufrufe zur Staatsuntreue. „Der Islam“ in seiner fingierten Gesamtgestalt wird im öffentlichen Diskurs verhandelt wie ein bedrohliches Monstrum, eine gefährliche Sache, auf die man öffentlich mit Fingern zeigen kann, einheitlich und fest umrissen in seiner Fremdheit, ein Ding, an das man sich nicht anschmiegen kann, weil es nach allen Seiten hin Ecken und Kanten der Fremdheit hat, schwer und langsam in seiner Anpassung an die sogenannte eigene Kultur. Der Islam habe daher auch noch einen langen Weg in die Moderne vor sich, so die wenig überraschenden Verlautbarungen der Politiker in diesem Lande, wobei das Stichwort „Moderne“ hier zum Vorrecht Europas und des Westens wird. Freiheit und Demokratie sei damit gemeint und nicht etwa koloniale Gewalt, Faschismus und totalitärer Terror des Staates. In mancher Ausstellung hat die Künstlerin dieses unheimliche, fremde Ding als unförmigen Gegenstand inszeniert. Überdimensional groß und schwerfällig steht dann ein prall gefüllter Sack im Raum, eine Hülle aus nachgiebigem Material, in dem sich etwas aufbewahren oder vor den Augen anderer verbergen lässt. Eigene Vorstellungen, Ängste und Vorurteile gegenüber dem Fremden.

 

In diesem lebendigen Schriftraum „Persian DanceScripts“ heute Abend, in dem der Syrisch-türkische Tänzer Ziya Azazi seine Choreographie „Dervish in Progess“ zeigt, tastet sie nach den Lücken der Architektur der Moderne. Nach den offen gelassenen Flächen einer fast hermetisch anmutenden Exklusivität moderner Raumgestalt. In einer grandiosen Geste digitaler kalligraphischer Energie gießt sie ihre ganz persönliche Handschrift auf den Boden dieses Atriums aus, – so groß wie hier hat sie ihre Schrifträume noch nie gestaltet – sodass man meinen könnte, das ganze Bauwerk gerate damit in eine bewegte Schwingung. Der Boden scheint einer fremdartig anmutenden Himmelskarte gleich, die der zylindrischen Glaskuppel dieses Gebäudes mühelos Paroli bietet. Ihr elegantes, formvollendetes Farsi, welches sich jeder Lesbarkeit verweigert, also nichts schreibt, nichts sagt, auf nichts verweist, ganz sinnfrei ist und sich ganz ins Bildhafte aufhebt, scheint die gesamte Struktur dieses Hauses in eine Art Schwebezustand zu heben. Die Verhandlung zwischen Eigenem und Fremden, zwischen Moderne und Tradition, Europa und Islam, Schriftkultur und Bildkultur mit all ihren schon fest geglaubten Koordinaten, wird in dieser Arbeit neu eröffnet. Ein Widerstand gegen das Gesetz der Fremdheit. Das fremde Farsi schmiegt sich in seiner runden Zartheit unweigerlich dem eigenen Körper an, und lässt dann wieder los, eine runde und zarte Bewegung, aus der die Sehnsucht nach Heimat und Kindheit spricht:

„… die Schriftzeichen meiner Muttersprache, mit Liebe aneinandergereiht (…), sie definieren einen Zwischen-Raum: Sie verwandeln sich in Ornamente, die die Erinnerung an die Bedeutungen der Worte nicht mehr als nur durchschimmern lassen.“ (Wegziehen. 2001)

Um die Bedeutung der Worte, um die so viel gestritten wird, geht es ihr nicht. Sondern um ihre Form, ihre sinnliche Gestalt, die Körperlandschaft ihrer Linien, Spuren eines unsichtbaren Tanzes – der nachher noch stattfindet. Als hätte sich hier eine Schrift offenbart, die sich jeder fundamentalistischen Lektüre gegenüber verweigert, weil sie sich wie eine sinnliche Landschaft zeigt, eine Schrift, die, wie der Tanz, die Freiräume ihrer eigenen Bewegung sucht.
Die persische Schönschrift, so sagt die Künstlerin, strebt den Leerräumen als Feldern der Freiheit zu und webt diese in die Schrift hinein. (Hubert Salden. Zur Arbeit von Parastou Forouhar. Aus dem Katalog Berlin Biennale 2) Es gibt eine klassische jüdische und islamische Theologie, die genau dieses gestalthafte Verständnis von Schrift zum Ausgangspunkt einer ästhetischen Theorie des Heiligen erklärt. Zu selten wird die jüdische und islamische Tradition in den Zusammenhang der europäischen Kunst der Moderne gestellt.

Eine Schrift, die in bildhafter Spur die Linien der eigenen Bewegung zeichnet, kann kalligraphische und tänzerische Qualitäten haben. In der Sufi Theologie schon des 10. Jahrhunderts sind diese beiden Bewegungsformen inhärent miteinander verbunden. Der Sufi Tanz präsentiert eine Signatur der Körperschrift, die vor allem die Spur einer Abwesenheit verzeichnet – die drehenden Derwische verbinden in ihrem Tanz Himmel und Erde und vergegenwärtigen dabei die prekäre Flüchtigkeit eine göttlichen Signatur der Welt, die nicht mehr lesbar und nicht mehr zu haben ist.”

1-3 June 2008.
International Workshop: “CALLIGRAPHY & CONTEMPORARY DANCE/ART.”

Philosophers, poets, artists and dancers cooperate in the project “BodyLetter: Spatial Inscriptions / Illegible Traces in Writing,” investigating the interwovenness of the image, painting, the letter/sign and body movement in medieval Islamic traditions and contemporary dance.

The semiotics of writing and of the letter appears in classical Jewish and Islamic traditions as performative, gestural, body-oriented and even choreographic. Choreographers, scholars of performative studies, calligraphers and philosophers discuss the original link between writing, body movement, the visual imagination and spatial language in the context of contemporary aesthetics and the performing arts.

The connection of image theory, the visual imagination and theology in mediaval philosophy is discussed against the specific background of Jewish and Islamic tradition in contemporary contexts. Leading scholars of image theory and Islam, philosophers and curators from around the globe discuss the genesis of modern art, questioning the alleged predominance of Graeco-Christian origins commonly held central for the development of European art history.

Participants

Abdul-Rahim Al-Shaikh (Jerusalem)
Ziya Azazi (Istanbul / Vienna)
Hans Belting (Karlsruhe)
Gabriele Brandstetter (Berlin)
Shulamit Bruckstein (Berlin)
Annette Gilbert (Erlangen)
Parastou Forouhar (Offenbach)
Abdelwahab Meddeb (Paris)
Angelika Neuwirth (Berlin)
Anna M. Schafroth (Bern)
Avinoam Shalem (Munich)
Gerald Siegmund (Bern)
Elliot R. Wolfson (New York)

In Cooperation with:

Allianz Cultural Foundation

With the support of:

Hauptstadt Kulturfonds